Thenior, R: Schönheiten von Pyrmont

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320 g
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216x153x17 mm
Beschreibung:

VORWORTLyriker darf man nicht von der Leine lassen. Gleich wollen sie allesganz genau wissen. Tradition und so weiter. Fragen sich durch.Die Donopin? Keine Ahnung, klingt's aus aller Munde. Gedichtetdie? 18. Jahrhundert? So lange her. Muss man die noch kennen?Man muss nicht, man sollte aber. Nimmt man sich die Muße undschenkt dem Text "Die Schönheiten von Pyrmont / besungen vonCharlotten Wilhelminen Amalien von Donop" (1750) die gebührendeAufmerksamkeit, kommt man aus dem Staunen nicht heraus.Aber man muss ihn erstmal nachlesen können. Ein Freund halfRalf Thenior, der sich auf die Suche begeben hatte, aus der Patsche.Fand den gesuchten Band als Digitalisat im Internet. Und RalfThenior? Der entfachte Funke wuchs sich immer mehr zum Flächenbrandaus. Wir rechnen nach: Mindestens fünf Jahre langvom ersten Blind Date bis zum Abschluss des Manuskripts, ließihn die Donopin nicht aus den Fängen. Eine Liebesgeschichteganz eigener Art, wie sie wohl nur im Buche stehen kann.Ralf Thenior hat daraus ein wunderbares Buch gemacht. Es lässtnichts aus. Die Etappen seiner Recherche, die Verbindungsfädenzur eigenen Biografie, die eigene Krankengeschichte, die ihn nachBad Pyrmont führte (ein Zufall? Wir wollen und können es nichtglauben), das botanische Interesse des Autors, seine vergeblichenNachfragen vor Ort nach dem adligen Fräulein aus dem 18. Jahrhundert.Und natürlich das Literarische: Thenior glich Eigenesmit dem 270 Jahre alten Text ab, entdeckte Gemeinsames nebenunüberbrückbaren Differenzen. Auch Ornithologisches floss einausgelöst durch die geläufige Titulierung von Donops (1723-1800)als "Westphälische Nachtigall". Beim Autor rief das Erinnerungenan den wohltönenden Gesang einer realen Nachtigall wach, derseinem eigenen Leben plötzlich einen besonderen Dreh bescherteund den Autor von einem auf den anderen Augenblick von privatenSorgen befreite (fortan hieß es: Raus aus dem persönlichenSchlamassel, den Blick nach vorn gerichtet!). Gewidmet hat ersein Buch "allen Nachtigallenschlägen der Weltliteratur".So ist denn ein halb philologisches und halb persönliches Buchentstanden. Wobei die kurzweilige Mixtur auch den Nachdruckdes Donop'schen Originaltexts mit einschließt. Bei seinem - mitden notwendigen Anmerkungen versehenen - Close Readingfragte sich der Autor wiederholt: Ist das, was ich da lese, eigentlichernst oder ironisch gemeint? Er entschied sich für die frechereLesart, die uns - seien wir ehrlich - über von Donops Verskunsthinaus Leben und Werk wirklich interessant machen. Dass sie ihreInitialen - ein zweiter Zufall (?) - mit denen einer anderen Aufgeklärtender westfälischen Literatur teilt (Annette von Droste)passt da ins Bild. Thenior entdeckte bei der älteren Dichterschwesterneben der Leichtigkeit des Tons einen entlarvendenBlick für die Schwächen ihrer Mitmenschen, einen scharfen Witzja Bosheit und Hinterlist. Er stellt sie uns als selbstbewusste jungeFrau vor, die kein Blatt vor den Mund nahm und mächtig stolzdarauf war, mit ihrem genannten Bändchen in eine Männerdomäneeingebrochen zu sein. Eine Glückliche war sie wohl nichtlässt uns Thenior wissen, vermutlich allein gelassen mit ihrem"Zauberwort", um die Droste zu zitieren. Ihre literarischen Habseligkeitenwarf die Donop kurzerhand und auf Nimmerwiedersehenaus dem Fenster. Gedankt hat ihr ihre Verse niemand. MitAusnahme von Florenz Arnold Consbruch (1729-1784) vielleichtder in seine "Versuche in Westphälischen Gedichten" (1751) einigeVerse über sie einfließen ließ. Aber auch hier bleibt die Frage:Sind die Anspielungen arglos gemeint oder ist doch Stichelei imSpiel, in Zeiten, in denen schreibende Frauen nicht im besten Rufstanden?Was zugleich die Frage aufwirft: Was bleibt vom literarischen Text?AvD, die Ältere, ist längst vergessen. Das Profane überlagert alles.Der Autor benennt es unbarmherzig. In der Klinik greifen dieMenschen lieber zur Bild-Zeitung als zu anderer Lektüre, und inder Buchhandlung erklärt man ihm, "unsere Regionalia sindkeine Lyrik". Umso glücklicher darf man sich schätzen, dass derAutor die mit seinem Manuskript verbundenen Mühen auf sichnahm und Amalie von Donop eine Zeit lang Teil seines Lebenswerden ließ. Und eine geeignete Form dafür fand, sie den heutigenInteressierten als "Frau von Fleisch und Blut" vorzustellen.Mit seiner Edition gibt Ralf Thenior also Vieles an die Hand. Aufseine Weise und nach seiner Methode. Die bei seinen eigenen literarischenTexten, die den Einstieg in den Band bilden, darin bestehtMiniaturbilder zu entwerfen, die pars pro toto für ein größeresGanzes stehen und hierdurch vielleicht mehr aussagen alsmanch umfangreiche kultursoziologische Studie. Zwei, drei Wimpernschlägegenügen, um das Assoziationsfeld zu eröffnen. Dannder Szenenwechsel mit neu justierter Kamera: Ein Talk mit demTaxifahrer, der selbst ein verkappter Dichter ist. Klick. Alltagsbeobachtungenin der Fußgängerzone. Klick. Gang durch den botanischenGarten. Klick. Besuch im Buchladen. Klick. Das Herzproblem "die Not ist groß, man muss erzählen". Klick. SpaziergangSpeisesaal, Physiotherapie ... Ein kleiner Ausschnitt genügtum die Fantasie des Lesers/der Leserin zu entfachen, die Leerstellenmuss/soll er/sie selbst ausfüllen. In solchen Zusammenhängengreifen wir gern auf das Nachwort Jürgen Brôcans in einem RalfThenior-Lesebuch (2021) zurück:"Nähe und Ferne, Lokales und Globales liegen nahe beieinander.Thenior ... beobachtet Sprache und bedient sich der Sprache, umzu zeigen, wie ihre Sprecher ,ticken'. Er stellt ihre Gedanken, Gefühleund Sehnsüchte mit einer Lakonie dar, die sie nie desavouiertweil sich hinter jedem Ausschnitt und Anriß ihres LebensHunderte kleiner Geschichten entfalten können ... Aus scheinbarBanalstem werden dann feine Epiphanien gemeißelt ... Der maltrauernde, mal zynische Umgang mit dem Tod hat als Kehrseitedie helle Medaille des Lebens, die Theniors - bei aller gerechtfertigtenSkepsis - doch grundsätzlich heitere, positiv getönte Seitezeigt. In seinem Inventar stehen Engelbert Kaempfer und PenelopeCruz so dicht nebeneinander wie Allusionen auf Science-FictionFilme oder Grimm'sche Märchen, bunt gemischt wie ein aufregendesKartendeck. Nicht zu vergessen: die eingeschalteten Lebensweisheitenund aufgeschnappten Sinnsprüche, z.B. ,Alter, dumusst kucken, / dass du am Kacken bleibst. / Das ist alles'direkt neben einem Einkaufszettel. All das ist nicht zu verachtenwie schon Marianne Moore wußte, und ein treffliches Material fürdie Dichtung ... So fügen sich ein Zitat von Amalie von Donopoder das Lied aus einer Jukebox nahtlos ein in den Stimmenchorder Thenior'schen Poeme."Prof. Dr. Walter GöddenGeschäftsführer der Literaturkommission für Westfalenund wissenschaftlicher Leiterdes Museums für Westfälische Literatur Haus Nottbeck

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